Loftwohnen im "Kulturdenkmal Bischlebener Mühle" am Steigerwald in Erfurt-Bischleben (Thüringen)
Direktauftrag, 2010 bis 2014
HOAI 6: Leistungsphase 1-8
BGF: 2.270QM

Das Projekt "Loftwohnen Bischlebener Mühle" zeigt beispielhafte Lösungen, wie das baukulturelle Erbe der Industriearchitektur Thüringens in Wert gesetzt und für die Zukunft entwickelt werden kann.

Das seit Jahrzehnten brachliegende Ensemble der historischen Mühlengebäude am Rande des Ortskerns von Bischleben wird durch den Abbruch einzelner Gebäudeteile neu geordnet und einer zeitgemäßen Nutzung zugeführt. Dieser spezifische, auf die Qualitäten der unterschiedlichen Maßstabsebenen reagierende, Umgang mit dem Bestand verdient aus Sicht der Jury besondere Anerkennung.

So führt der Rückbau des Wohn- und Verwaltungsgebäudes zur Freistellung des prominenten, fünfgeschossigen Produktionsgebäudes und schafft damit die Grundlage für die Entwicklung sehr gut belichteter Wohnetagen. Der Fußabdruck des Mühlenkomplexes wird zudem auf ein dem Kontext angemessenes Maß verkleinert.

Die Nahtstelle des abgebrochenen Gebäudeteils zeichnet sich gestaltprägend durch eine vorgehängte Fassade aus Cortenstahl ab. Der bauliche Eingriff im Zuge der Revitalisierung wird auf diese Weise subtil sichtbar gemacht. Im Inneren setzt sich diese angemessene Kenntlichmachung von Bestand und Eingriff beispielhaft fort: alte Mauerwerksteile werden geschlämmt und zeigen sich in einer charakteristischen Rauigkeit neue Öffnungen und Bauteile sind dagegen glatt verputzt. Das Tragwerk des innen liegenden, hölzernen Skelettbaus konnte trotz Brandschutzanforderungen sichtbar belassen werden.

Auf fünf Etagen sind großzügige Wohnungen mit nutzungsoffenen Grundrissen entwickelt worden. Dass diese durchgängig barrierefrei erschlossen werden, zeichnet dieses Projekt im besonderen Maße aus und macht es zukunftsfähig an der Schnittstelle von Stadt und Land.

Foto oben: Zugang Produktionsgebäude, kurz vor der Fertigstellung

In Erfurt-Bischleben, sollen zwei historische Industriegebäude zu neuem Wohnraum umgenutzt werden. Der 1700 Einwohner zählende Ort fand erstmals 1184 urkundliche Erwähnung und besitzt einen flächendeckend erhaltenen, mittelalterlichen Dorfkern. Durch das Angebot von Kindergärten, Arztpraxen, Sport- und Freizeitmöglichkeiten und die Nähe zum Naherholungsgebiet Steigerwald ist Bischleben besonders attraktiv für junge Familien. Zusätzlich bietet die moderne Infrastruktur mit Rad- und Wanderwegen, Bus- und Bahnstrecke eine optimale Anbindung zum Erfurter Stadtzentrum. Dieses ist in ca. 10 Minuten zu erreichen.

Das alte Mühlengebäude wurde 1667 erstmals erwähnt, existierte jedoch bereits Jahrhunderte früher als Mahl-und Ölmühle. Es handelt sich um eines der wenigen, erhaltenen Gebindehäuser Thüringens und erhält nach jahrzehntelanger Brache eine angemessene Sanierung. Um 1880 wurde das 5-geschossige Produktionsgebäude errichtet und besitzt ebenfalls den Status eines Einzel- und Kulturdenkmals. Nach Jahrhunderte andauerndem Betrieb wurde die Mühle 1990 stillgelegt und wartet nun in idyllischer Landschaft an Gera und Steigerwald gelegen, auf ihre Wiederbelebung als neuer Wohnraum.


Städtebauliches Konzept
Die alte "Getreidemühle zu Bischleben" liegt nordöstlich des historischen Dorfkernes, eingebettet im Urstromtal der Gera am Rande des Steigerwaldes. Der Mühlenkomplex wird im Verhältnis zur umliegenden Körnungsgröße zurückgebaut. Klinkerbau und Gebindehaus werden freigestellt und somit als Kultur- und Einzeldenkmal eindeutig erleb- und ablesbar. Hierfür ist aus städtebaulichen Gründen ein Abbruch der Gebäudeteile Turbinenhaus, Verwaltungsgebäude, Verbindungsbau und Lagergebäude erforderlich. Das Verwaltungsgebäude weist die in der Denkmalliste beschriebenen Eigenschaften durch Raub und Vandalismus in den 90er Jahren leider nicht mehr auf. Gebäudeausrichtung und landschaftsplanerisches Konzept fügen sich harmonisch in die gewachsene Umgebung und stellen das Produktionsgebäude als Solitär frei. Die Erschließung erfolgt über die dem Ort zugewandte Seite. Der entstehende Vorplatz zeichnet mit seinem Blätterdach als Reminiszenz an das ehem. Verwaltungsgebäude die Kubatur nach. Das neu geordnete Industrieensemble generiert auf diese Weise einen Mehrwert für Bischleben und seine zukünftigen Bewohner.



Entwurfskonzept
Die Heraushebung des Gebäudecharakters des Industriedenkmals wird mit der modernen Wohnform des Loft verknüpft. Alle Vorzüge eines Wassergrundstücks am Rande des Naturschutzgebiets Steigerwald sowie der einzigartige Panoramablick, durch die Höhe und Solitärstellung des Gebäudes, unterstreicht die besondere Lage der entstehenden Appartements. Die Baukörper gleichen in ihrer Lage und Form einem in der Flussbiegung "gestrandetem Schiff" welches sich, mit seinen "Landungsbrücken" zur Gera hin öffnen. Die Außenanlagen umspülen die Gebäude wie "Treibgut" und angeschwemmte "Flöße".



Produktionsgebäude anno 1880. Das 5-geschossige Produktionsgebäude behält seinen industriellen Charme indem das innen liegende Holztragwerk vollständig sichtbar bleibt und somit, die Konstruktion des Skelettbaus ablesbar wird. Das bestehende Treppenhaus wird durch einen Aufzug ergänzt und teilt das Gebäude in zwei Hälften. So entstehen insgesamt zehn bis zu 130 Quadratmeter große Lofts, welche dreiseitig natürlich belichtet und belüftet werden und Raumhöhen bis max. 3,50 Metern aufweisen. Die großzügigen Fensteröffnungen bieten helle, freundliche und lichtdurchflutete Räume. Im Innenausbau dienen glatte, helle Kuben, die abgelöst von der Holzbalkendecke im Raum stehen und in ihrer Materialität den Eichenholzparkettboden ergänzen. In den Bädern ist eine Feinsteinzeugbekleidung mit hochwertiger Keramikausstattung vorgesehen. Neben dem direkten Außenbezug im Erdgeschoss besitzt jedes Loft einen großen Balkon.


Penthouse anno 2012. Das "Flagschiff" liegt als fünftes Obergeschoss auf dem Dach und hat alle Eigenschaften eines Penthouses. Separater Zugang, 360-Grad-Ausblick auf den Steigerwald, die Gera im Urstromtal und die landschaftlich geprägte Umgebung von Bischleben-Stetten aus ca. 16 Metern Höhe und eine umlaufende, teilüberdachte Dachterrasse. Der offene, licht durchflutete Wohnbereich ist großflächig verglast, opakte Wände gewährleisten im Sanitär- und Schlafbereich Privats- und Intimsphäre.


Mühlengebäude anno 1667. Das 3-geschossige alte Mühlengebäude wird seiner neuen Nutzung als Einfamilienhaus zugeführt. Eine behutsame Bestandssanierung unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten lässt das innen und außen liegende Holztragwerk erlebbar werden. Eingestellte glatte Kuben dienen, wie im Produktionsgebäude als Raumsegmente. Im Erdgeschoss wird ein offenes, durchgestecktes Wohnen mit direktem Außenraumbezug zur Nord-, Ost- und Südseite realisiert.



Konstruktion
Der Bestand wird an beschädigten Stellen fachgerecht saniert und erzählt die Geschichte vergangener Tage als Industriegebäude und seiner Nutzung als Mühle. Die Holzbalkenkonstruktion wird geschliffen und erhält
einen weißen Lasur-Anstrich. Die Fenster werden nach neuestem Stand der Technik ersetzt und entsprechen in Form und Teilung ihrem historischen Vorbild. Die eingestellten, hellen Kuben kontrastieren mit dem warmen Eichenparkett des Fußbodens. Der Einsatz einer Fußbodenheizung ist hygienisch und trägt zu einem angenehmen Raumklima bei. Eine hochwertige Materialverarbeitung bei Türen und Sanitärmöbeln fügt ansprechende Details in das Gesamtbild.

Die Balkone werden mit Stahlprofilrohrahmen ausgebildet und mit zwei Stahlseilen an der Fassade abgehängt. Ein schlankes Geländer aus Stahlstäben unterstreicht den konstruktiven, industriellen Charakter freihängender Balkone.

Das Penthouse wird in herkömmlicher Holzbauweise mit Pfosten-Riegel-Fassade hergestellt. Stahlstützen fußen im verglasten Wohnbereich auf dem darunter liegenden Bestandstragwerk. Die Fenster werden als Pfosten- Riegel-Fassade aus gedämmten Holz-Profilen mit Schiebetürelementen mit Wärmeschutzverglasung gem. aktuellem Stand der Technik hergestellt. Die Innenwandflächen erhalten einen hellen Farbton. Der Boden wird im Kontrast zu den stumpfen Wand- und Deckenoberflächen mit geöltem Parkett belegt.


Energetisches Konzept, Wirtschaftlichkeit
Das Produktionsgebäude besitzt auf Grund seiner massiven Klinkerfassaden sehr gute Wärmespeicherfähigkeiten und hygroskopische Eigenschaften. Ein positives A/V Verhältnis und zusätzliche diffusionsoffene Dämmebenen in den Außenwandbereichen reduzieren den Transmissionswärmebedarf. In Summe lassen die genannten Eigenschaften behagliche Raumklimate ganzjährlich erwarten. Die großzügigen Fensterflächen generieren schöne Tageslichtsituationen. Mit ihrer Wärmeschutzverglasung entsprechen die Fensterelemente modernen Anforderungsprofilen. Obere- und untere Gebäudeabschlüsse werden nach den gültigen Normen des baulichen Wärmeschutzes ertüchtigt.

Das energetische Herzstück des Loftwohnens ist die Heizungsanlagentechnik. Die Bereitstellung der Heizwärmemengen erfolgt in dem mit Erdgas versorgten Objekt durch einen Endenergiemix. Die Nutzenergiemengen zum Ausgleich der Transmissions- und Lüftungswärmeverluste sowie die Erzeugung von Trinkwarmwasser werden in der Grundlast von einer thermischen Solaranlage bereitgestellt. Die Nutzung der regenerativen Energiequelle Sonne senkt nachhaltig Heizkosten und reduziert zudem den Ausstoß von Treibhausgasen. Durch geringen Vorlauftemperaturbedarf der Fußbodenheizung, kann das Potenzial der Gas-Brennwerttechnik und der Solarthermie hervorragend genutzt werden.

Die Anlagentechnik leistet einen signifikanten Beitrag zur Energieeffizienz des Produktionsgebäudes. Die Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV 2009) an ein zu modernisierendes Gebäude werden erfüllt.

oben, Modellbaustudien: Präsentationsmodell M200, Fassadenstudie M50

Auftraggeber Privat
Tragwerksplanung Dr. Müller, Erfurt
Energieberatung VEEBA, Christian Nehdo, Erfurt
Vorbeugender Brandschutz Gunter Hertach, Erfurt
TGA Fachplanung PBR, Kulmbach
Landschaftsplanung projekt.freiraum, Andreas Müller, Erfurt
Vermessungsarbeiten ÖbVI Pense, Arnstadt
Bodengutachten Siegfried Jacobi, Erfurt
Bauwerksdiagnostik Thomas Panzer, Berlin
Faunistik Dr. Weise, Mühlhausen
Modellbau Objects Erfurt, Lars Bucki, Erfurt
CI CD Marketing Monsterpixel, Erfurt
Mitarbeit Stefanie Pirk, Theresa Buhl, Johannes Frölich, Matthias Schott, Lucas Richter, Katharina Anne Witzleben